Montag, 27. September 2010

Panik im Stadion: Augenzeugen aus dem HSV-Block berichten von der Tragödie im Weser-Stadion

Das Bundesliga-Topspiel des 6. Spieltages sorgte wiedereinmal nicht nur sportlich für reichlich Gesprächsstoff. Der 3:2-Sieg von Werder Bremen gegen den Hamburger SV wurde zur Nebensache, denn im HSV-Block brach nach dem Spiel das Chaos aus und es wurden 24 Menschen verletzt. Ein Zuschauer schwebt noch immer in Lebensgefahr. Der Grund für die Panik im Stadion war laut einigen Augenzeugen eine Blocksperre die länger als nötig aufrecht erhalten wurde.

Was sich am Abend des 25. September 2010 im Weser-Stadion ereignete, hätte nicht passieren dürfen. Spätestens nach dem Unglück auf der Loveparade hätte man wissen müssen was passiert, wenn eine große Ansammlung von Menschen in Panik gerät. Allerdings schien man solchen Vorfällen wie jüngst in Duisburg, bei der Planung der Block-Sperre auf der Gästetribüne des Weser-Stadion, nicht viel Beachtung zu schenken und so kam es anscheinend zu einer fatalen Fehleinschätzung der Einsatzleitung.

Etwa 4000 HSV-Fans waren während des Spiels zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV auf dem Oberrang des Weser-Stadions dabei um ihre Mannschaft anzufeuern. Als es dann nach der Partie zur üblichen Block-Sperre der Polizei kam, lief noch alles wie auch bei jedem anderen Auswärtsspiel in Bremen. Der Zweck der sogenannten Block-Sperre ist es, zu vermeiden das sich die Anhänger beider Mannschaften begegnen damit es nicht zu möglichen Gewaltaktionen kommt.

Wie üblich sollte die Barrikade der Polizei 20 Minuten aufrecht erhalten werden, denn innerhalb dieses Zeitraums haben die meisten Werder-Fans das Stadion normalerweise verlassen. Nun kam es anders, und wie einige Augenzeugen berichteten war die Sperre nach fast 40 Minuten immer noch nicht vollständig aufgehoben. So kam es allmählich dazu, dass einige Zuschauer von hinten drängten weil diese ihren Zug am Bahnhof rechtzeitig erreichen wollten. Im Gedränge verloren dann die Polizisten, die krampfhaft versuchten die Barrikade aufrecht zu erhalten, den Halt und stürzten gemeinsam mit zahlreichen Fußballfans in die Tiefe.

24 Verletzte und fürchterliche Erinnerungen

Die traurige Bilanz dieses Unglücks: Ein Zuschauer musste reanimiert werden und schwebt noch immer in Lebensgefahr. Zudem gab es noch 23 weitere zum Teil schwer verletzte Personen, von denen 17 Polizisten waren. Viele Menschen die das Unglück mit ansehen mussten fühlten sich an die Geschehnisse der Love Parade erinnert und „werden diese Unglück und die fürchterlichen Bilder niemals vergessen die sich dort abspielten“, sagt HSV-Fan Mathias R. in einem Interview mit „fraschsport“. So klagt der 29-jährige Fußballfan noch Tage nach dem Unglück über Schmerzen im Rippenbereich und kündigte an: „Dass war meine letzte Auswärtsfahrt nach Bremen.“

Die Umstände die dieses Unglück verursachten waren vermeidbar, da sind sich viele der Augenzeugen einig. So gab die örtliche Polizei unterdessen zu, dass man den Fehler machte nach der ersten Bekanntgabe der Block-Sperre, keine weitere Durchsage gemacht zu haben. Das führte dazu, dass von hinten immer mehr Zuschauer nachrückten und so auf die Menschen im vorderen Bereich drückten. Viele dieser Fußballfans aus den vorderen Reihen bekamen Platzangst und Atemnot. Dabei waren aus dem Gedränge immer wieder laute und verzweifelte Schreie zu hören.

Augenzeugen sprachen von Polizeigewalt

Von vielen Beteiligten war nach den Vorfällen im Weser-Stadion das selbe zu hören: „Die Polizei öffnete die Tore zu spät. Vor den Treppen gab es keine Ausweichmöglichkeiten“, sagte ein HSV-Fan gegenüber der „Bild-Zeitung“. Ganz ähnliches weiß Dennis B von „hsvticker.de“ zu berichten der diese Vorfälle live miterlebte und sogar von massiver Polizeigewalt sprach: „Ich befand mich auf dem Eingang zum Sektor 107 vor den Treppenabgängen. Auf der Treppe befand sich eine Polizeisperre. Während meiner Wartezeit sah ich drei ältere Herren zu den Sanitätern gehen. Einer dieser Verletzten hatte eine extrem blutende Nase und Lippe. Die anderen beiden hatten sichtlich schwere Schmerzen im Kniebereich. Die drei Herren sagten mir und auch den Sanitätern gegenüber, dass sie zuvor Schläge mit Faust und Schlagstock erhielten“, sagte Dennis B gegenüber „fraschsport“.

Weiter sagte der HSV- und Hannover-Fan: „Ich versuchte mich weiter zu den Treppen zu bewegen, doch dies gelang nur sehr schlecht, da alles voller Menschen war. Auf dem kurzen Weg von gut 30 Metern kamen mir dann wieder vier Verletzte mit den gleichen Verletzungsmuster entgegen. Wieder waren Verletzungen durch Schlagstockeinsatz zu erkennen. Nachdem ich den Abgang erreicht hatte, konnte ich laute Schreie hören. Als ich die Treppe erreichte konnte ich sehen, dass das untere Tableau schon als Behandlungsplatz genutzt wurde. Auch der Einsatz von Beatmungsbeuteln war klar zu erkennen. Die „geringe“ Zahl der Opfer, die in den Medien mit 24 Menschen beziffert wird, kann ich mit nur dadurch erklären, das sich viele nur notdürftig versorgen lassen haben, ohne dabei Personalien angegeben zu haben. Alleine ich habe in der kurzen Zeit schon gut 20 Verletzte gesehen.“

Wann lernt man aus solchen Erfahrungen?

An dem Wahrheitsgehalt dieser Aussagen gibt es kaum Zweifel, denn auch Videos und weitere Zuschauer berichteten von Polizisten die mit der ganzen Situation völlig überfordert waren. So sagte eine Person die weiter vorne stand, dass einige Beamte ebenfalls Panik hatten erdrückt zu werden und daher zum Teil aus Selbstschutz versucht haben, die Fans daran zu hindern sie zu überrennen. Was sich wirklich in den vorderen Reihen der Stadiontreppen abspielte, ist für unbeteiligte sicherlich sehr schwer nachzuvollziehbar.

Doch zeigen viele Beispiele der jüngsten Vergangenheit, dass sich Menschen sehr animalisch verhalten wenn sie um ihr Leben fürchten. Und genau aus diesem Grund ist es auch nicht nachvollziehbar, dass man eine Block-Sperre im Treppenbereich veranlasst, wenn man genau weiß das eine Masse von 4000 Personen daran gehindert werden soll das Stadion zu verlassen. Wie viele solcher Vorfälle soll es noch geben, bis man es schafft Massenveranstaltungen perfekt zu durchplanen? Für Familien mit Kindern wird es immer gefährlicher, teilweise sogar unmöglich eine öffentliche Großveranstaltung zu besuchen. (fr / Bildquelle: M. Rasch)

10 Kommentare:

  1. Schöner, objektiver Bereicht!

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  2. Vielen Dank für das Lob. Das gibt Antrieb für die nächsten Berichte. :-)

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  3. Dann muss ich hier nochmal fragen: Woher weiß Dennis B. wie Schlagstockverletzungen aussehen?

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  4. Sehr subjektiver Bericht zum Nachteil der Polizei. Ganz einfache Frage: wenn die Autobahn aufgrund eines Unfalls für 20 Minuten gesperrt wird, fährst Du dann auch nach 24 Minuten einfach los, weil Du sonst einen Termin verpasst? Wenn die Polizei Anweisungen erteilt, ist denen Folge zu leisten. Tut man es nicht, sieht man ja, was passiert...
    Ein gelungener objektiver Bericht sieht so aus: http://www.zeit.de/sport/2010-09/panik-hamburg-bremen-polizei?page=2

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  5. Hallo,

    erst einmal vielen Dank für die Beiträge.

    Zu Anonym vom 28.9.: Ich denke eher, dass ich sehr neutral berichtet habe. Ich bitte zu beachten das es sich bei vielen Aussagen um Interviews handelt und nicht um meine persönliche Meinung. Das Gegenteil ist der Fall: Ich kann es durchaus verstehen wenn man um sein Leben fürchtet und sich dann logischerweise auch zu Wehr setzt.

    Zu beatsox: Ich glaube fast jeder der schon Auseinandersetzungen nach Fußballspielen gesehen hat, hat auch solche Verletzungen schon gesehen. Und solche Bilder sieht man leider häufig bei Auswärtsspielen. Siehe: http://fraschsport.blogspot.com/2010/09/werder-hsv-20102011-um-gewalt-zu.html

    Vielen Dank

    MfG frasch

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  6. Guten Morgen..

    Natürlich kann ich nicht mit 100%iger wahrscheinlichkeit sagen, ob die Verletzungen durch Schlagstöcke zugezogen wurden. Aber....
    Ich bin selber Rettungssanitäter, weiß daher sehr genau welches Verletzungsmuster sich ergibt wenn man mit einem Stumpfen schweren Gegenstand auf ein Gelenk schlägt. Ausserdem wird eine blutende Nase und Lippe nicht durch eine zu kalte Cola entstehen. Und dann wären da noch die geschädigten selber, die mir auf nachfrage mitteilten, das Sie mit Schlagstöcken und Fäusten "bearbeitet" worden.. Ach und nochwas.. Schaut euch das 45 sec. Video an. Die letzten 10 sec. sind keine Kuschelszenen eines Fans und eines Polizisten, sondernd schwere Misshandllungen seitens der Polizei.

    MFG

    Dennis

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  7. @ Anonym 28.9:

    Ich glaube du verwechselst hier Äpfel mit Birnen. Hat man in einem Autostau Angst, erdrückt zu werden? Viele Fans waren auch lange Im Innenraum des Stadions, die dann nach 20 Minuten zum Ausgang wollten, weil es keine weiteren Infos gab, das die Sperre noch länger Aufrecht erhalten bleibt. Dann kam es zu dem Gedränge. Zusätzlich kam dann noch die Zeitnot bei einigen ins Spiel. Wenn man nicht live dabei war, ist es immer schön einfach schlaue und kluge Sprüche loszuwerden.
    Einen Polizeisprecher als objektiv hinzustellen, naja soll sich jeder selber sein Urteil dazu machen ;)

    Du bist nicht zufällig der Berliner Polizist, aus dem Bremer FOrum, oder?

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  8. Hier nochmal das von Dennis erwähnte Video mit einigen weiteren Berichten von Augenzeugen (N24): http://www.youtube.com/watch?v=OQHZn_BIYNQ

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  9. Moin, jo und die Polizei wird sicherlich grundlos um sich geschlagen haben, arme Fussball-"Fans"! Ich kann das Geheule nicht mehr lesen!

    Was passiert nochmal 6 Tage zuvor vorm dem Pauli-Gästeblock?

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  10. Lieber Herr Anonym, bevor Du hier anfaengst, Deine Vorurteile gegen Fussballfans auszuleben, solltest Du Dich lieber mal mit den Fakten beschaeftigen. Es ist natuerlich einfach, Dampf abzulassen, wenn man nicht dabei war. Ich war dabei und JA die Polizei hat in den vordersten Reihen grundlos zugeschlagen, das war Koerperverletzung!!!

    Ich stelle Dir mal eine ganz einfache Frage: Wie wuerdest Du das finden, wenn Du von hinten geschoben wirst und kriegst von vorne eins mit der Faust in die Fresse???

    Ich kann nur allen Betroffenen raten, Strafanzeige wehen Koerperverletzung zu stellen.

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